Siebenbürgische Zeitung Kulturspiegel 20.Febr. 2006
Zigeuner auf meinem Weg
Hermannstädterin schreibt
Buch über Sinti und Roma in Siebenbürgen
Zuerst waren es diese vagen Begegnungen , die wir alle
aus Siebenbürgen kennen: Ein kleiner Zigeunerjunge steht am
Tor und möchte etwas zu essen haben oder einen Besen
verkaufen. Wir vermeiden die persönliche Begegnung, fühlen
uns unsicher, wissen nicht, wie zu reagieren. Zu fremd sind
und diese Menschen. Anfangs ist es auch Astrid Bartel so
gegangen, doch mehr oder weniger zufällig hat sie sich
bereits als Kind näher an die Zigeuner herangewagt und
Erstaunliches erfahren: "Man war sich zu Anfang völlig
fremd. Doch dann näherte man sich misstrauisch, aber
neugierig, und stellte am Ende fest, wie sehr sich Wünsche
und Vorstellungen ähnelten."
Diese Zeilen stammen aus Astrid Bartels Buch "Das Mädchen
von der Quelle. Siebenbürgische Geschichten um Sinti und
Roma", das Mitte Dezember im Hermannstädter hora-Verlag
erschienen ist. Das Erstlingswerk der heute 6o -Jährigen
umfasst 16 in sich geschlossene Geschichten. Die ersten
sind Erinnerungen aus der Kindheit, "Zigeunermensch"
schildert eine Begebenheit während eines Rumänienbesuches
in der Zeit Ceausescus, und die drei letzten Begegnungen
mit Zigeunern waren in Berlin. Dort lebt Astrid Bartel,
1945 in Hermannstadt/Sibiu als Tochter des Frauenarztes
Egon Gross geboren, seit 1975 mit ihrem Mann Jürgen Bartel.
Der emeritierte Professor am Institut für Geographie der TU
Berlin war der erste Hörer der Geschichten und hat beim
Entstehen des Buches als Illustrator mitgewirkt. Nach der
politischen Wende und Öffnung der Grenzen arbeitete Astrid
Bartel, die Germanistik und Geographie studiert hatte, als
Dolmetscherin für Polizei und Gericht. Die neuerlichen
Begegnungen mit Roma - Familien belebten ihre
Kindheitserinnerungen. Und so begann sie, ihre Geschichten
aufzuschreiben.
Der ursprüngliche Titel ihres Buches lautete: "Zigeuner auf
meinem Weg". Der fiel der political correctness zum Opfer,
in den Geschichten wird aber das Wort Zigeuner weiter
benutzt, auch um die Sprechweise jener Zeiten richtig
wiederzugeben. Aus jenen Zeiten und den heutigen greift sie
die positiven Erfahrungen mit Zigeunern auf, um den
gängigen Vorurteilen entgegenzutreten. Und um Verständnis
für sie zu werben: "Wir Zigeunermenschen sind manchmal
schwer zu ertragen, doch wenn man uns so nimmt, wie wir
sind, fährt man am besten. Man muss uns auch nicht immer
verstehen", legt sie einer ihrer Gestalten in den Mund.
Hannelore Baier