Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien, Bukarest, 17. Nov. 2006

Neugierig auf eine fremde Kultur
Astrid Bartel las im Rumänischen Kulturinstitut Berlin / Von Sieglinde Hahn

In der Bibliothek des Rumänischen Kulturinstitutes in Berlin las die aus Hermannstadt/Sibiu stammende und in Berlin lebende Autorin Astrid Bartel aus ihrem Buch “Das Mädchen von der Quelle - Siebenbürgische Geschichten um Roma und Sinti” (hora Verlag, Hermannstadt 2005). Die Ankündigung der Lesung und der anschließenden musikalischen Darbietung des Duos “Romenca” ließ das vollbesetzte Auditorium auf eine Begegnung mit einer fremden, aber Neugierde erweckenden Kultur hoffen. Nach der Einführung durch den stellvertretenden Direktor des Rumänischen Kulturinstitutes, Gheorghe Pascu, der in anschaulicher und humorvoller Weise die schwierige Lage der Roma innerhalb des Staates Rumänien bis zum heutigen Tage erläuterte, und einer kurzen Begrüßung durch den Präsidenten der Deutsch-Rumänischen Gesellschaft, Dr. Gerhard Köpernik, las Astrid Bartel drei Geschichten aus ihrem Buch vor.
Bereits die erste Erzählung “Mirela” faszinierte die Zuhörer durch die farbige Schilderung des Markttreibens und durch das langsame Vertrautwerden von zwei Kindern, von denen eines ein Romakind und das andere die Autorin selbst ist, wobei der Reiz des Verbotenen (die Familien durften von dieser Freundschaft nichts wissen) gewiss auch eine Rolle spielte. “Wir respektierten uns und traten uns nie zu nahe. Zwischen uns blieb eine gewisse Distanz, die wir auch nicht durchbrechen wollten. Wir kamen aus verschiedenen Welten und wussten, dass unser Beisammensein nur von kurzer Dauer sein würde.” Dieses war der Kernsatz der Geschichte. Emotionale Nähe ohne den anderen zu vereinnahmen. In der Erzählung “Geigerich” gelang es der Autorin durch die anrührende Schilderung der Erfüllung eines musikalischen und obendrein menschlichen Wunsches des jungen Zigeuners, die Probleme nicht auszublenden, denen Zigeuner noch immer ausgesetzt sind. Der Zuhörer empfand dennoch ein Gefühl der Dankbarkeit den Menschen gegenüber, die bereit waren, sich auf den Zigeuner Geigerich einzulassen und somit nicht nur als Gebende sondern auch als reich Beschenkte hervorgingen.
Waren die Zuhörer durch die vorhergehende Geschichte innerlich sehr bewegt, kam durch die Erzählung “Der Zwerg”, die von zwei aus Rumänien geflüchteten Kindern in Berlin handelt, eine humorvolle Wendung in den Abend und löste dadurch die Betroffenheit auf.
Nach der Pause zog des “Duo Romenca”, Akkordeon und Gesang, die Zuhörer in seinen Bann. Das Duo hat sich auf alte, mündliche überlieferte Roma- und Sinti-Lieder spezialisiert. Der virtuos spielende Dejan Jovanovic und die dunkle, von Temperament und zugleich Melancholie durchdrungene Stimme von Oana Kitzu erzählten von Liebe und Hass, Glück und Unglück und der grenzenlosen Einsamkeit der Menschen und passten damit ganz wunderbar zu den Themen der vorhergehenden Lesung.